Heinrich Sondermann:
Die
Gemeinde Grevenhagen, seit Jahrhunderten lippische Exklave, wurde
mit ihren rund 250 Einwohnern am 1. Januar 1970 Ortsteil der Stadt
Steinheim, Kreis Höxter. Während seiner
Zugehörigkeit zu
Lippe war Grevenhagen zahlreiche Generation lang ein Dorf der
Mollenhauer. Nach einer Gewerbetabelle gingen im Jahre 1788 in der
Grafschaft Lippe acht Mollenhauer ihrem Handwerk nach, davon sechs im
Amt Hörn. Letztere dürften in Grevenhagen
ansässig
gewesen sein.
Im April und August 1982 hat Heinz Wiemann in Grevenhagen den Maurer
und Mollenhauer Heinrich Sondermann (geb. 1912) befragt und seine
Ausführungen zu Papier gebracht. Mehrere Hinweise sind dem
Grevenhagener Landwirt und Mollenhauer Johannes Bäckeralf
(geb.
1910) zu verdanken.
Grevenhagen, einst ein Dorf der
Mollenhauer
Von einem Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsordnung, mit Lehrzeit,
Lehrbüchern und Gesellenprüfung kann man beim
Mollenhauer-Handwerk nicht sprechen. Mein Vater war Maurer und
Mollenhauer, mein Großvater war Landwirt und Mollenhauer. Als
ich
1927 hier in Grevenhagen aus der Schule kam, wurde ich Maurer und
Mollenhauer. Groß auszuwählen gab es da nichts. Das
Mollenhauer-Handwerk habe ich bei meinem Vater erlernt, und er wiederum
hat es von meinem Großvater beigebracht bekommen. Es wurde
vererbt von einer Generation auf die nächste. In anderen
Familien
war das genauso.
Die Professionisten-Tabelle der Bauerschaft Grevenhagen für
das
Jahr 1867 nennt folgende Namen und Berufe: Hildebrand (Mollenhauer),
Spinnräker (Mollenhauer), Rolf (Mollenhauer), Grote
(Mollenhauer),
B. R. Grote (Mollenhauer), Schwase (Mollenhauer), Bäckeralf
(Mollenhauer), Sondermann (Mollenhauer), Rolf (Zimmermann),
Müther
(Mollenhauer), Eilert (Mollenhauer), Krähwinkel (Schneider),
Rolf
(Grützmüller), Müther (Metzger), Joh. Eilert
mit
Röseler (Schuhmacher), S. Schröder (Mollenhauer),
Ant. Micus
(Maurer), Aug. Niggemann (Zimmermann). 1868 kommt noch Anton
Bäckeralf als Mollenhauer hinzu. Im
„Adreßbuch für das
Fürstenthum Lippe" aus dem Jahre 1901 stehen aus der
Bauerschaft
Grevenhagen als Mollenhauer verzeichnet: Anton Rolf, Franz Rolf, Anton
Dreier, Josef Schwase, Johann Bäckeralf, Josef
Bäckeralf,
Johann Sondermann, Clemens Sondermann, Johann Heinekamp, Konrad
Sondermann und Johann Rolf. Am Rande sei noch der Böttcher
Linus
Westfal erwähnt.
Nach meiner Erinnerung waren in den zwanziger und dreißiger
Jahren unseres Jahrhunderts mit dem Mollenhauer-Handwerk eng verbunden:
Josef Bäckeralf (Landwirt und Mollenhauer), Sohn Johannes
Bäckeralf (Landwirt und Mollenhauer), Anton Dreier (Landwirt
und
Mollenhauer), Sohn Franz Dreier (Landwirt und Mollenhauer), Anton
Dreier (Maurer und Mollenhauer), Josef Dreier (Sägewerker und
Mollenhauer), Anton Eilert (Maurer und Mollenhauer), Franz Eilert
(Metzger und Mollenhauer), Johann Heinekamp (Gastwirt und Mollenhauer),
Anton Mikus (Maurer und Mollenhauer), Anton Rolf (Landwirt und
Mollenhauer), Sohn Josef Rolf (Landwirt und Mollenhauer), Josef Rolf
(Waldarbeiter und Mollenhauer), Sohn Josef Rolf (Waldarbeiter und
Mollenhauer), Johannes Rolf (Waldarbeiter und Mollenhauer), Sohn Hubert
Rolf (Waldarbeiter und Mollenhauer), Clemens Sondermann (Landwirt und
Mollenhauer), Konrad Sondermann (Maurer und Mollenhauer),
Söhne
Anton (Maurer und Mollenhauer) und Heinrich (Maurer und Mollenhauer).
Um 1930 standen etwa 40 Wohnhäuser in Grevenhagen. Man kann
sich
leicht ausrechnen, daß etwa in jedem zweiten Haus
Tröge,
Mollen, Wurfschüppen, Schannen und ähnliche Dinge
angefertigt
wurden.
Auch in Blomberg wurden Tröge und Mollen hergestellt. Das
geschah
— bis zum Jahre 1935 — in dem Betrieb des
Böttchers und
Mollenhauers Wilhelm Saake, Kurzer Steinweg 13. Vor dem benachbarten
Gasthof „Alt-Heidelberg" konnte man des öfteren in
Augenschein
nehmen, was unter den geschickten Händen der Handwerker
entstanden
war. Das Bild stammt aus dem Jahre 1930.
Foto: Archiv
Wiemann
Wenn der Winter kam und es draußen so recht nichts mehr zu tun
gab, konnte man sich damals kein Stempelgeld abholen. Es wurden Mollen
gehauen. Je nach Witterung ging es so Ende Oktober, Anfang November
los, und im März des darauffolgenden Jahres war dann wieder
Schluß. Viel verdienen konnte man dabei nicht, aber es war
mehr
als gar nichts. Der Stundenlohn lag bei 40 oder 50 Pfennigen.
Mollen,
Holzfüllen,
Wurfschüppen ...
In den Jahren, als mein Vater, mein Bruder Anton und ich
zusammenarbeiteten, haben wir in den Wintermonaten jeweils so um die 35
Tröge hergestellt. Die tägliche Arbeitszeit betrug 10
bis 12
Stunden. Sie richtete sich auch nach dem Bedarf der Händler.
Wenn
sie keinen Vorrat mehr hatten und dringend Nachschub brauchten, wurde
eben länger gearbeitet. Mit einem Acht-Stunden-Tag war da
nichts
zu machen. Da hätte sich die Sache gar nicht gelohnt. Ein
Mollenhauer brauchte für die Herstellung eines Troges 15 bis
18
Stunden. Das Spalten des Baumstammes ist in dieser Aufrechnung nicht
enthalten.
Als Tröge wurden die großen Mollen bezeichnet, die so
um die
zwei Meter lang und 60 — 75 cm breit waren. Sie standen in
jedem Haus,
in dem wintertags ein Schwein geschlachtet wurde. Brennetrog nannte man
sie auch, weil der Hausschlachter und seine Helfer in ihnen das
geschlachtete Borstentier mit heißem Wasser
übergössen,
es abbrühten oder „abbrannten", wie man sagte. Nach
dem Schlachten
diente der Trog als Gefäß zum Einsalzen des
Fleisches. Wenn
man ihn richtig behandelte, hielt so ein Trog 60, 70 Jahre. Zur guten
Pflege gehörte, daß man ihn trocken aufbewahrte und
wenn er
naß war, nicht der Sonne und dem Wind aussetzte. Dann bekam
das
Holz Risse, in die das Wasser hineinzog und sie
vergrößerte.
Wenn ein Trog vor die Tür gestellt und vom Winde umgeworfen
wurde,
konnte er natürlich aufplatzen.
Etwas kleiner waren die Backetröge, etwa 1,20 — 1,50
m lang und 50
— 65 cm breit. Die Bäuerin bereitete in ihnen den
Brotteig zu. Das
Kneten der großen Teigmenge war sehr anstrengend. Bis in die
zwanziger Jahre hinein, vereinzelt auch noch länger, backten
die
Leute beispielsweise hier in Grevenhagen ihr Brot selber. Auf dem Hof
Bäckeralf steht heute (1982) noch der alte Backofen.
Der noch bestehende alte Backofen - der Hof Bäckeralf musste
einem
modernen Wohnhaus weichen.
Foto: Thomas Wiedemeier (2009)
In den „Metermollen", rund 40 cm breit, wurde beim Schlachten
Wurst
gemacht und Wurst transportiert. Während der übrigen
Zeit
standen sie nicht nutzlos herum. Die Hausfrau brauchte sie zum
Wäschewaschen. Halb so lang waren die
„Möllekes", die die
Bäuerin früher beim Buttern benutzte. Diese Mollen
waren zum
Auskneten des Wassers aus der frischen Butter besonders gut geeignet.
Man nannte sie auch „Fättken", obwohl sie ja in
Wirklichkeit keine
Fässer waren. Holzlöffel —
„Botterleppel" — zum Butterkneten
in der Buttermolle waren die kleinsten Gegenstände, die wir
hergestellt und verkauft haben. Damit sind wir mit der
Aufzählung
all dessen, was die Mollenhauer anfertigten, noch längst nicht
am
Ende. Wir konnten es uns nicht leisten, Holz, in dem keine Molle mehr
„drin saß", einfach wegzuwerfen. In großer
Zahl und jeweils
aus einem Stück haben wir Holzfüllen und
Wurfschüppen
„produziert". Mit der Holzfülle wurde das
Schweinefutter aus dem
„Schwuinepott" geschöpft, und wenn die Hausfrau
große
Wäsche hatte, holte sie damit die
Wäschestücke aus dem
heißen Wasser des Waschtopfes. Die „Worpschiuten"
brauchte man,
wenn auf der Deele die Spreu von Korn getrennt werden sollte. Korn und
Spreu wurden geworfen. Das Korn flog auf einen Haufen, und die Spreu,
die leichter war, blieb zurück. Beim Umsetzen und beim
Einsacken
des Kornes haben sich die Wurfschüppen ebenfalls
bewährt. Ich
komme noch einmal zur Wäsche zurück. Die frisch
gewaschene
Bettwäsche oder das neu gewebte Stück Leinen
mußten
früher zum Bleichen in die Sonne gelegt und von Zeit zu Zeit
mit
Wasser besprengt werden. Als Schuljunge in den zwanziger Jahren
habe ich oft gesehen, daß man zum Besprengen eine
Gieße
nahm. Dieses Holzgerät sah ähnlich aus wie eine
Wurfschüppe, nur daß die Schaufel schmaler und zur
Aufnahme
des Wassers tiefer ausgehöhlt war. Ich selber habe keine
Gieße mehr hergestellt. Die Gießkanne hat die alte
Holzgieße verdrängt.
Die Wäschekloppe, die auch bei den Mollenhauern gekauft werden
konnte, war länger im Gebrauch. Wenn die Frauen am Bach die
Wäsche ausspülten, war es üblich, das Wasser
anschließend mit der Kloppe herauszuklopfen.
Zum Schluß möchte ich noch die Schanne nennen, die
wir
zumeist auf Bestellung fertigten. Es handelt sich dabei um ein Tragjoch
für Menschen. An jede Seite dieses auf die Schulter gelegten
Holzes hängte man einen Eimer. Auf diese Weise war es
leichter,
beispielsweise die Milch von der Weide nach Hause zu transportieren.
Jeder Mollenhauer verstand sich auf die Anfertigung all dieser
Gebrauchsgegenstände, spezialisiert hat sich kaum jemand.
Schließlich kann man ja aus einem Stamm keine kleinen Mollen
heraushauen. Das wäre zuviel Arbeit, und zuviel Holz ginge
ungenutzt verloren. Ein Dorfbewohner hat einmal ausschließlich
Rührlöffel aus Ahornholz gemacht. Er ist damit aber
von der
Bezahlung her nicht gut zurechtgekommen.
Händler mit
Pferd und Wagen
Verkauft wurde nur gelegentlich an Privatpersonen. In der Hauptsache
waren es fahrende Händler, die herkamen und uns die Sachen
abnahmen. Einige kamen aus Feldrom. An Namen wie Reineke, Hillermann,
Waldmann kann ich mich gut erinnern. Mit Sensen und Schleifsteinen
erschien jährlich ein Händler aus dem Sauerland in
unserem
Dorf. Er kaufte „Fättkes" in
größeren Mengen und
schickte sie in seine Heimat. Mein Vater und ich hatten es besonders
mit dem Mollenhändler Kleine aus dem nicht weit von hier
entfernten Oeynhausen zu tun, mit Konrad Kleine, dann mit seinem Sohn
Johannes und danach mit dessen Sohn Konrad.
Konrad Kleine jun. war vor ein paar Tagen noch hier und hat sieben
„Fättkes" gekauft, die aber nicht mehr ihrem
ursprünglichen
Zweck zugeführt werden. Hauptsächlich handelt Konrad
Kleine
jetzt mit Jägerzäunen und Leitern.
Bei der Festsetzung des Preises ging es nach Anzahl und
Qualität.
War ein Ast m der Molle, zog der Händler seine Stirn in
Falten.
Obwohl ein Ast, wenn er richtig festgewachsen ist, die Molle prima
dicht hält. Gekauft wurde jeweils in
größeren
Stückzahlen, da ging dann alles mit weg, ob es gut war oder
kleine
Mängel aufwies. Preislisten oder so etwas ähnliches
gab es
nicht. Man mußte sich handelseinig werden. Und meistens
klappte
das auch. Es kam auch schon einmal vor, daß ein
Händler
sagte: „Für den Preis kann ich die Mollen nicht
kaufen." Und dann
fuhr er zum nächsten Mollenhauer.
Die Händler waren in den zwanziger und dreißiger
Jahren noch
mit Pferd und Wagen unterwegs. Entsprechend war ihr Absatzgebiet
bemessen. Kamen sie aus der Nähe, so verkauften sie hier im
Umkreis von etwa 30 Kilometern, also bis nach Höxter und
Paderborn
und ins Lippische hinein. Händler aus dem warburgischen Raum
brachten die Mollen.dort an den Mann. Sie fuhren von Haus zu Haus,
waren aber ganz besonders darauf angewiesen, die Mollen und
Holzfüllen auf den Jahrmärkten anzubieten. Viele
Bauern
verließen sich darauf, auf dem Jahrmarkt den Stand des
Mollenhändlers anzutreffen und aus einem großen
Angebot
auswählen zu können.
Auch ein Grevenhagener hat sich als Händler betätigt.
Das war
ein ehemaliger Schäfer. Mit Pferd und Wagen, im Winter mit dem
Pferdeschlitten, fuhr er bis nach Soest. Sonntags chauffierte er den
Pastor von Sandebeck nach Grevenhagen, von Grevenhagen nach Erpentrup
und von Erpentrup zurück nach Sandebeck.
Mollenhauer Konrad Sondermann mit seinen Söhnen Anton und
Heinrich
in Grevenhagen bei der Arbeit. Um 1930
(links). Foto:
Archiv Wiemann Wilhelm Wiemann in Horste, ursprünglich
Tischler
und Zimmermann von Beruf, hat in der Nachkriegszeit mit der
Mollenhauerei begonnen. „Abgeguckt" hatte er sich die Sache
bei dem
alten Pivitsheider Mollenhauer Weber. Fotografiert wurde er im August
1959 beim Bearbeiten eines Brennetroges mit der Axt. Wilhelm Wiemann
ist 1978 verstorben (rechts). Fotos: Wiemann
Pappeln, Weiden, Buchen
Im Herbst, wenn die Bäume ihr Laub verloren hatten, wurden
einige
Pappeln und Weiden an den Bachläufen der Umgebung
gefällt.
Würde man die Bäume im Frühjahr schlagen,
wenn sie
voller Saft sind, würde das Holz stark nachdunkeln. Die
Stämme mußten in den folgenden Wochen gleich
verarbeitet
werden, weil sich das Holz dann leichter behandeln ließ.
Austrocknen konnte es später als fertige Molle oder
Fülle.
Die Bauern waren froh, wenn sie den einen oder anderen Baum verkaufen
konnten. Das Festmeter kostete vor dem Krieg rund 40 Mark, und in dem
Preis war der Transport enthalten. Das Fällen
übernahmen wir
am liebsten selber. Mit Axt und Säge gingen wir dabei
vorsichtig
zu Werke, damit der Stamm unten nicht aufplatzte. Eine ausgewachsene
Pappel mit einem unteren Durchmesser von 80 cm war gut für
sechs
bis acht Brennetröge.
Weiden- und Pappelholz ist weich und leicht, das Holz der Weide noch
leichter als das der Pappel. Was außerdem wichtig ist: Beide,
Pappel und Weide, lassen sich gut spalten. Wurf-schüppen habe
ich
aus Buchenholz hergestellt. Es ließen sich auch Buttermollen
aus
diesem Holz machen. Bei dem Rohmaterial mußte es sich
allerdings
um einen ansehnlichen Buchenstamm von etwa einem Meter Durchmesser
handeln. Er mußte „achtklüftig" sein, sonst
platzte das
Holz. „Achtklüftig" bedeutet, daß
über Kreuz und dann
noch einmal oben und unten parallel zur Querrichtung gespalten werden
konnte.
Auf der Ziehbank sitzend, glättet Heinrich Sondermann
(Grevenhagen) die Außenseite einer kleinen Molle mit dem
Ziehmesser. Die Unebenheiten im Inneren werden mit der Dechsel
beseitigt. (April 1982) Fotos: Wiemann
Mit Axt und Säge
Sobald die Stämme auf dem Hof beim Haus bereitlagen, trat die
Säge in Tätigkeit, um sie auf die jeweils
benötigte
Länge zu zerkleinern. An eine Motorsäge dachte damals
noch
niemand. Johannes Bäckeralf hat 1965 zum ersten Male eine
solche
Säge eingesetzt, um die Stämme „auf
Länge" zu schneiden
und auch zu „spalten". Er spricht von einer erheblichen
Arbeitserleichterung. Ich habe bis heute noch nicht mit einer
Motorsäge gearbeitet. Waren aus dem Stamm Stücke zu
1,80 m
bis zu 2 m oder zu einem Meter Länge entstanden, ging es an
das
Spalten. Von einer Schnittfläche aus wurden längs des
Durchmessers Keile in das Holz getrieben. Es handelte sich um Keile aus
trockenem Buchenholz, die wir selbst angefertigt hatten. Als
„Schlaginstrument" benutzten wir die Axt mit ihrem stumpfen
Ende.
Hätten wir Eisenkeile genommen, wäre die Axt zu
leicht
beschädigt worden. Zum Spalten eines für zwei
Brennetröge vorgesehenen Stammes waren so ungefähr
acht Keile
nötig. Wenn sich das Holz nicht einfach spalten ließ,
legten
wir auch zwei Keile aufeinander und trieben sie hinein. Gelegentlich
war es erforderlich, mit einem großen Keil von oben her
für
den Rest zu sorgen.
Die beiden Hälften behielten ihre Rinde, damit sie bei der
weiteren Bearbeitung besser am Boden hafteten und nicht dauernd
wegrutschten. Nur an den Rändern entlang wurde ein etwa 10 cm
breiter Streifen Rinde entfernt.
Eine gute Portion Erfahrung und eine geübte Hand
gehörten zum
Aushauen schon dazu. Schließlich sollten die
Stammhälften ja
nicht einfach ausgehöhlt werden. Es kam darauf an, das Holz so
herauszuhauen, daß aus dem „Kernstück"
eines Brennetroges
noch eine Metermolle und aus dem „Abfall" der Metermolle noch
eine
Buttermolle entstehen konnte. An einem Ende wurde also der im Entstehen
befindliche Brennetrog etwa einen halben Meter und am anderen Ende etwa
20 cm breit mit Hilfe der sehr scharfen Axt ausgehöhlt. Von
dem
großen Loch aus trieb man, im Halbrund angeordnet, ca. acht
Zentimeter von der Außenwandung entfernt, Keile in das Holz.
Längs der beiden Längsränder halfen wir mit
Holzhammer
und Stemmeisen nach. In gleicher Weise wurde dann bei dem Heraushauen
des Holzes aus der Metermolle für das 40 bis 50 cm lange
„Butterfättken" verfahren. Auch aus dem Rest
stellten wir
praktische Dinge her. Es durfte so wenig Holz wie möglich zu
Abfall werden. Zurück zum Brennetrog! Seine Innenwand wurde
jetzt,
soweit es ging, mit der Axt bearbeitet. Überflüssiges
Holz
verschwand; die Rundungen mußten möglichst glatt zum
Vorschein kommen. Das war eine Sache des Gefühls. Wir
benutzten
Äxte mit abgerundeten Schneiden, die äußerst
scharf
sein mußten. Der Trog sollte seiner endgültigen Form
so nahe
wie möglich kommen, damit die späteren Feinarbeiten
nicht zu
viel Zeit und Mühe in Anspruch nahmen. Mit der Axt wurden auch
die
äußeren Abrundungen an beiden Enden geschaffen und
die
Haltegriffe herausgearbeitet. Schließlich ging es mit dem
gleichen Werkzeug der Rinde „an's Leder". Das alles geschah
draußen, und wenn man richtig in Fahrt war, merkte man die
Kälte des Winters nicht. Für die Feinarbeiten zogen
wir
allerdings die wärmere Deele oder eine Werkstatt vor.
Mit Dechsel und Ziehmesser
Ob großer Trog oder kleines „Mölleken": sie
erhielten mit
Dechsel und Ziehmesser ihren letzten Schliff. Das geschah innerhalb des
Hauses. Und dazu wurde der Brennetrog auf zwei dafür
hergerichtete
Holzböcke gesetzt. Dort konnte er sich kaum bewegen.
Für die
kleineren Mollen
reichte
ein Holzklotz. Die „Möllekes" ließen sich
zur
weiteren Bearbeitung mit dem Ziehmesser auf einer Ziehbank —
wie sie
auch die Böttcher benutzten — festsetzen. Andernorts
sagte man
auch Zugmesser und Zugbank.
Dechsel wie Ziehmesser mußten in verschiedenen
Größen
vorhanden sein. Die Dechsel — wir sagten hier meist
„Deißel" —
ist ein quergestelltes Beil besonderer Art mit einem kurzen Stiel. Sie
hat auch Ähnlichkeit mit einer Hacke. Die Schneide ist
messerscharf. Die kurzstielige „Hacke" ist entweder an ihren
Seiten
oder insgesamt nach innen gebogen. Solch eine
„Deißel" zu
schmieden, war schon eine Kunst für sich. Und nicht jeder
Dorfschmied hatte den Bogen heraus. Der Schmied Hoffmeister in
Langeland war auf diesem Gebiet ein Könner. Mit der Dechsel
wurden
die letzten Unebenheiten aus der Molle herausgehauen. Dafür
genügten in der Regel zwei „Durchgänge".
Meist hatte man ja
mit der Axt schon gut vorgearbeitet. Der Brennetrog wies zum
Schluß eine Wandung von rund 3 cm Stärke auf. Wir
haben hier
aber nie mit dem Zentimetermaß hantiert. Man mußte
ein
gutes Augenmaß haben. Die Wandungen der
„Fättkes" waren
natürlich dünner, manchmal so dünn,
daß man fast
hindurchschauen konnte, wenn man sie gegen das Licht hielt und das Holz
noch „grün" war. Außen wurden die Mollen
mit dem Ziehmesser
geglättet.
Zum Schluß haben wir die Oberkanten der Endrundungen an den
Mollen und Trögen mit Bandeisen beschlagen, um ein
Reißen
des Holzes zu verhindern. Eine weitere Behandlung fand nicht statt. Die
Leute taten aber gut daran, ihren neuen Trog innen mit Firnis zu
streichen. Wenn nämlich beim Einsalzen des Fleisches die
Salzlake
in das Holz ziehen konnte, war das Salz nicht wieder herauszubringen,
und das leichte Pappelholz wurde schwer wie Buchenholz.
Hier möchte ich noch ein paar Sätze eines Berichtes
über
die Arbeit zur Zeit der Großväter anfügen:
„Nun darf
man nicht glauben, daß die Gilde der Mollenhauer schon mit
Einbruch der Dunkelheit Feierabend machte, im Gegenteil.
Während
die Hausfrau am surrenden Spinnrad sitzt, die Mädchen den
Strickstrumpf zur Hand nehmen und die Buchensplieten im alten
Kachelofen knistern, rücken die Männer ins
Lampenlicht um den
großen Tisch in der Stube, und in dieser Heimseligkeit der
langen
Winterabende entstehen die kleineren Mollen und die mannigfaltigen
Holzlöffel, Kellen, Scheffel, Schaufeln, Formen und
weiß was
für brauchbare Dinge, die uns überall im Haushalt und
in der
Landwirtschaft begegnen. Diese kleinen Teile werden vorwiegend aus dem
,Abfallmaterial gefertigt.. ."
Ein Handwerk ohne Zukunft
Die Benutzung des Holzes zur Anfertigung von
Gefäßen
geht
nach den erhaltenen Funden auf germanischem Boden bis in die
jüngere Steinzeit zurück. So gesehen ist das
Mollenhauer-Handwerk um die 5000 Jahre alt. Es hat aber keine Zukunft.
Nach dem 2. Weltkrieg stiegen die Holzpreise stark in die
Höhe.
Johannes Bäckeralf, Anton und Josef Rolf und ich waren hier in
Grevenhagen so ziemlich die einzigen, die noch Tröge und
Mollen
hergestellt haben. Und das auch nur in kleiner Stückzahl.
Einmal
hält so ein Trog bei guter Pflege ja rund siebzig Jahre, und
die
Kunden waren noch versorgt, zum anderen ging die Zahl der
Hausschlachtungen besonders in den sechziger Jahren stark
zurück.
Johannes Bäckeralf hat hier in Grevenhagen im Winter 1979 den
letzten Brennetrog aus dem Stamm einer Pappel herausgehauen. Der Baum
stand seinem Besitzer im Wege.
In den Haushalten wird seit langem nicht mehr „gebuttert",
und auch das
Wäschewaschen geschieht nach anderen Methoden. Zinkwannen und
später Plastikgefäße trugen weiter dazu bei,
Produkte
der Mollenhauer aus den Haushalten zu verdrängen. Es
ließen
sich noch mehr Gründe für das Aussterben des alten
Mollenhauer-Handwerks anführen. In den wenigen
„Fättkes", die
ich noch fertigte, werden heutzutage Blumen angepflanzt, und meine
Holzfüllen werden als nostalgischer Hintergrund für
Trockenblumengestecke an die Wand gehängt. Keiner meiner drei
Söhne hat „nach altem Brauch" zu Axt und Dechsel
gegriffen. Sie
haben die Berufe des Werkzeugmachers, Malers und Autoschlossers erlernt.
Quelle:
Heimatland Lippe 4/1983 Autor: Heinz Wiemann
Für das Internet übertragen: Rüngener